Mittwoch, 30. Mai 2007

Spiel und Spaß im Internet..

Die Diskussion um sogenannte "Killerspiele" ist spätestens seit den erneuten Amokläufen von Emsdetten und Blacksburg eine nicht mehr wegzudenkende Konstante deutscher Pädagogik und Erziehungspolitik. Moment, vielleicht ist der Ausdruck "Diskussion" nicht ganz passend. Wie bei der Doktrin vom menschengemachten Klimawandel, so ist auch hier mehr von Dogmatismus als von Diskussion zu reden. "Killerspiele" sind verrohend, gewaltverherrlichend, fördern den tierischsten Urtrieb im Menschen und rufen zur Gewalt auf. Im Internet finden die Amokläufer-Azubis vom Kinderzimmer aus die entsprechenden Communities, in denen man sich zum gemeinsamen Morden ("Clan-Turniere") verabreden kann.

Der Autor, selbst gelegentlicher "Killerspiel-Spieler" (und somit potenzieller Amokläufer) ist sich natürlich darüber bewusst, dass exzessives Spielen von Ego-Shootern (ebenso wie der exzessive Konsum von entsprechenden Filmen) bei OHNEHIN schon psychisch gestörten Zeitgenossen durchaus zur Explosion der menschlichen Zeitbombe beitragen kann. Nichtsdestotrotz reduziert die deutsche Stimmungsdemokratie die verschiedensten Aspekte, die schließlich zum Amoklauf führten, auf ein angreifbares, markiges Feindbild und bietet sogleich "kompetente Lösungen" an, wie etwa ein Verbot entsprechender Spiele. Günther Beckstein geht noch einen Schritt weiter und fordert, Distribution und Besitz entsprechender Machwerke analog zu Distribution und Besitz von Kinderpornographie zu bestrafen.

Moment, der Autor hat eine Assoziation.. Mh.. Spiel.. Kinderpornographie.. da war was..

Ach ja, genau! Schauen wir mal nach einem Spiel, das unter anderem in der BILD-Zeitung in höchsten Tönen gelobt wurde: Second Life. Eine schöne virtuelle Welt, in der der Spieler sich selbst neu erschaffen kann und wie im echten Leben Handel treiben, mit anderen Charaktern interagieren und spielen kann. Mehr als 6 Millionen Menschen haben inzwischen ihr "zweites Ich" in der SL-Welt erschaffen. Sogar Geld wird dort umgesetzt: Mittels eines schwankenden Tauschkurses von US$ zu sogenannten "Linden-Dollar" (L$). Auch Firmen sind für PR-Zwecke bereits in dieser Welt vertreten. Könnte alles schön und gut sein, oder?
Und dann diese Meldung:

"Second Life" sperrt Nutzer wegen Kinderpornos

Der Betreiber des Online-Portals "Second Life", Linden Lab, hat zwei Nutzer gesperrt, die in der populären virtuellen Welt kinderpornografische Szenen dargestellt haben. Anlass waren Recherchen des ARD-Politmagazins "Report Mainz", das die Inhalte entdeckt hatte.

Nach einem Bericht der Online-Nachrichtenmagazins heise.de hat das Unternehmen Linden Lab mitgeteilt, dass es von den ARD-Mitarbeitern kontaktiert und mit Bildern von zwei Avataren konfrontiert worden sei, die einen Erwachsenen und ein Kind bei sexuellen Handlungen darstellten. Dahinter verbargen sich laut Linden Lab ein 54 Jahre alter Mann und eine 27 Jahre alte Frau, die sofort aus der virtuellen Welt ausgeschlossen worden seien.


Weitere Aufnahmen der SWR-Sendung belegen, wie Spieler in "Second Life" virtuelle Kinder missbrauchen und vergewaltigen. Auch die Staatsanwaltschaft Halle ermittelt in dem Fall. Linden Lab teilte laut heise.de inzwischen mit, dass das Unternehmen bisher noch nicht in der Lage gewesen sei, diese Bilder zu finden.

Wie die Aufnahmen des ARD-Magazins dokumentieren, gibt es etliche Nutzergruppen in "Second Life", deren Mitglieder kindliche Spielfiguren gegen Geld sexuell missbrauchen. Dazu sagte Lutz-Ulrich Besser vom Zentrum für Psychotraumatologie und Traumatherapie Niedersachsen: "Wenn man sich dann vorstellt, dass dort hinter diesen Spielfiguren reale Menschen stehen, die sozusagen diese Figuren und die Befehle und das was dort an sexueller Ausbeutung und Erniedrigung passiert auch noch steuern, dann sind das wirklich Anleitungen zu sexueller Ausbeutung, zu sexuellen Verbrechen an Kindern."
(Quelle: swr.de)

Schöne neue Welt, in die sich anscheinend nicht nur erschreckend viele Normalbürger, sondern neuerdings auch Pädophile flüchten. Dass das Internet ein Hort perverser Praktiken und Phantasien ist, muss hier nicht weiter ausgeführt werden. Bemerkenswert finde ich aber, dass sich der sittlich-moralische Verfall unserer Gesellschaft sogar in einem virtuellem "Zweiten Leben" wiederspiegelt. Und ist es nicht durchaus berechtigt zu fragen, wer die größere Realitätsflucht und Wirklichkeitsverweigerung betreibt: Der "Killerspiel-Spieler", der Vietcong-Stellungen ausräuchert und am D-Day Omaha Beach erstürmt oder der durchschnittliche Second-Life-Spieler, der mehr Energie darauf verwendet, seine Figur und seinen Besitz in SL zu verbessern und zu erhalten als seine reale Lebenssituation? Mir steht hierüber wohl kein Urteil zu, da ich kein SL-Spieler bin. Aber es ist ja nicht nur SL. Wenn man schon bei eher harmlosen Simulationsspielen wie den "Sims" bemerken kann, dass Kinder lieber mit ihrer virtuellen Familie spielen als mit den Eltern in den Zoo zu fahren, sollte man anfangen Fragen zu stellen.

Killerspiele vs. Lebenssimulation - gefährlich können sie beide sein. Zur Debatte steht nur, welches das kleinere Übel ist.

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