Freitag, 8. Juni 2007

"Könnte man denn nicht ... ? "

Wenn man in einem hochprofessionellen Dienstleistungsbetrieb an der Rezeption arbeitet ist es nicht verwunderlich, durchaus seltsamen Zeitgenossen zu begegnen. Nicht nur unter einzeln reisenden Gästen findet man psychologisch hochinteressante Macken, nein, gerade Gruppen sind es, die wie keine anderen die Abgründe menschlichen Denkens zu Tage fördern. Dies soll keine psychotherapeutische Massenanalyse werden, ich möchte lediglich eine Eigenschaft hervorheben, die viele Gruppen, Vereine etc. so auszeichnet.

Beispiel: Ein GEMEINNÜTZIGER Verein ist mit 20 Personen angemeldet. Es kommen 11 Personen. Was erwartet der gemeine Rezeptionsscherge? Natürlich die beunruhigte Frage, ob man denn trotzdem für 20 Personen zahlen müsse! Doch keineswegs. Mit einem schelmischen Grinsen beugt sich der Gruppenleiter vor und sagt in einem halb unangenehm berührten, halb schurkischen Tonfall: "Könnte man denn nicht... ?"

Und genau da fängt es an! "Könnte man denn nicht... trotzdem für 20 Leute die Rechnung schreiben und uns die Differenz auszahlen?" "Könnte man denn nicht... für 20 Leute die Rechnung schreiben und die Differenz mit den konsumierten Getränken (=Alkoholika) verrechnen?" Denn: "Wir bekommen da Fördermittel.." Ein Schweißtropfen auf der Stirn, ein hastiges Zurechtrücken des Hemdkragens. "Wir bekommen da Fördermittel.." Herrlich.
Ich finde es mehr als entzückend, mit welcher Selbstverständlichkeit Verantwortliche für gemeinnützige Vereine etc. versuchen, einen BETRUG (denn nichts anderes ist es!) salonfähig zu machen. Ein höfliches, aber bestimmtes "Das können wir leider nicht machen", verbunden mit einem kritischen Blick lassen oftmals die letzte Hemmschwelle bei den Möchtegern-Betrügern fallen. "Aber Sie müssen das verstehen, uns werden Mittel gekürzt.." "Stellen Sie sich doch mal unsere Situation vor!" - Ein fast flehender Blick und wilde Gestik runden das Trauerspiel ab. Antrag auf Betrug abgewiesen.

Es ist in höchstem Maße erschreckend, wie eine gewisse Form der Unterschlagung und des Betrugs anscheinend für legal und sittlich betrachtet wird. Man stelle sich die absurde Situation vor, ein korrupter Polizist verteidigt sich vor Gericht mit den Worten "Stellen Sie sich doch mal meine Situation vor! Mir werden Mittel gekürzt!" Oder der wegen Steuerhinterziehung angeklagte Manager. Welch Aufheulen in deutschen Behörden, Medien und Stammtischen. Ich warte ehrlich gesagt nur auf den Tag, an dem TRANSPARENCY INTERNATIONAL an meiner Rezeptionstheke steht und der Gruppenleiter stammelt.. "Also wir sind zwar nur 15 Personen statt der gemeldeten 25.. Aber könnte man denn nicht.. ?"

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